Montag 4. Februar 2008 - 20h
Wie gut funktioniert die Anarchie? Das Beispiel Spanischer Bürgerkrieg.
Walther L. Bernecker, Referat und Diskussion

Anarchismus und Spanischer Bürgerkrieg

Bis heute gelten die anarchistischen Selbstverwaltungsansätze im Spanischen Bürgerkrieg als der historische Moment, in dem eine herrschaftsfreie Gesellschaft klarer als in anderen Kontexten ihrer Realisierung nahe war. Der Militäraufstand vom 18. Juli 1936 gegen die Regierung der Republik war für große Teile der spanischen Arbeiterklasse, vor allem der anarchosyndikalistischen Industrie- und Landarbeiter, Katalysator und auslösende Bedingung einer Sozialen Revolution auf republikanischem Territorium, die sich innerhalb weniger Wochen ausbreitete und auf lokaler und regionaler Ebene das bestehende politische, soziale und ökonomische System weitgehend abschaffte. In vielen Fällen ging die wirtschaftliche und die politische Macht an neue soziale Gruppen über; das traditionelle System der Herrschaft wurde von Grund auf verändert.

Die Soziale Revolution der Anarchisten richtete sich nicht nur gegen den Militäraufstand, sondern darüber hinaus gegen die Grundlagen der bestehenden kapitalistischen Ordnung, den Großgrundbesitz und das Privateigentum an Produktionsmitteln. Die Entmachtung traditioneller Eliten, der Übergang der Latifundien in den Kollektivbesitz der Landarbeiter, die Beschlagnahme und Selbstverwaltung der Fabriken, die Praxis einer "Volksjustiz", die Alphabetisierungskampagne auf dem Land, in den Betrieben und Schützengräben und die Ausweitung der politischen Partizipation auf bis dahin marginalisierte Bevölkerungsteile hatten zweifelsohne revolutionäre Qualität.

Es waren hauptsächlich die in der anarchosyndikalistischen CNT und der anarchistischen FAI organisierten Arbeiter, die nach dem Zusammenbruch der republikanischen Staatsgewalt die Enteignung und kollektive Bearbeitung größerer landwirtschaftlicher Güter betrieben, die Übernahme vieler Industrieunternehmen und der Dienstleistungsbetriebe vollzogen, lokale Machtträger entmachteten und die Verwaltung in die eigenen Hände nahmen, das öffentliche Leben wieder in Gang brachten und kontrollierten.

Der Vortrag beschreibt die Voraussetzungen, den Verlauf, die Zielsetzungen und den allmählichen Niedergang der Sozialen Revolution; letzterer erfolgte spätestens ab der zweiten Hälfte 1937. Somit beschäftigt er sich auch mit den Gegnern der Revolution, mit den strukturellen Hindernissen, aber auch mit den Fehlern der Anarchisten selbst. Nur eine umfassende Betrachtung sämtlicher Faktoren, die auf die Revolution einwirkten, vermag zu erklären, wieso die Chance zur vollen Durchsetzung eines humanen Selbstverwaltungssozialismus und autonomer Selbstbestimmung auf kommunaler Ebene nicht voll genutzt werden konnte und die Ansätze zu einer sozialen Basisdemokratie bereits vor Beendigung des Bürgerkrieges unterdrückt worden waren.

Literaturhinweis:
Walther L. Bernecker: Anarchismus und Bürgerkrieg. Zur Geschichte der Sozialen Revolution in Spanien 1936-1939. Nettersheim: Verlag Graswurzelrevolution, 2. Aufl. 2006.

       
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