Faltflyer & Plakat



Programm der Anarchietage in Winterthur 2013

Öffnungszeiten der Alten Kaserne: Freitag ab 18:00h | Samstag und Sonntag ab 11:00h

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Freitag / 8. Februar 2013

19h | Alte Kaserne
Vegane VoKü

20:30h | Alte Kaserne
Antimuslimischer Rassismus im Neoliberalismus
Sebastian Friedrich, Referat und Diskussion
Die Sarrazindebatte führte zu einer breiten gesellschaftlichen Verschiebung nach rechts, zu enttabuisiertem rassistischen Denken und verband in besonderer Weise Rassismus im Elite- und Nützlichkeitsdenken. Auch über zwei Jahre nach der Erscheinung von "Deutschland schafft sich ab" zeigt sich, dass die in der Debatte wesentlichen Konfliktlinien noch immer Bestand haben: Während die eng an Sarrazin Hängenden auf Biologisierungen und Naturalisierungen zurückgreifen, argumentiert eine Reihe von erklärten Sarrazingegner_innen mit dem neoliberalen Leistungspostulat.

Sebastian Friedrich wird zunächst ausgehend von der Sarrazindebatte einen Überblick über den aktuellen Leistungsdiskus geben und am Beispiel der Rede über "Integration" dessen gesellschaftliche Verankerung und Konsequenzen aufzeigen. Es wird deutlich, dass im öffentlichen Umgang mit den als Migrant_innen markierten Leistung und Ethnisierungen mit einer Dethematisierungen von Strukturen des Rassismus und der Klassenverhältnisse einhergehen.

Sebastian Friedrich (Berlin/Duisburg-Essen) ist Redakteur bei kritisch-lesen.de, aktiv bei der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt Berlin (KOP) und Herausgeber und Autor des 2011 erschienenen Sammelbandes "Rassismus in der Leistungsgesellschaft" (edition assemblage, Münster).

Samstag / 9. Februar 2013

12h | Alte Kaserne
NEXT STOP LAMPEDUSA und die FABRIK DER ILLEGALEN EINWANDERUNG
(Eine Video-Reportage über die Flucht tausender TunesierInnen in das "Paradies" Europa)

Viktor Bošnjak (Kollektiv Teleimmagini), Referat, Film (it/en) und Diskussion
Am 17 Dez. 2010 übergoss sich Mohamed Bouazizi, ein ehemaliger Informatikstudent und Lebensmittelhändler, vor einem Regierungsgebäude in Sidi Bouzid/Tunesien mit Benzin und zündete sich an. Seine Selbstverbrennung entfachte einen landesweiten Aufstand gegen die Diktatur Ben Alis und führte am 14. Januar 2011 zu dessen Flucht nach Saudi-Arabien ins Exil. Mit den Geschehnissen in Tunesien ging eine Fluchtbewegung nach Europa einher: Etwa 20.000, meist junge Tunesier_innen überquerten das Mittelmeer und landeten auf der Mittelmeerinsel Lampedusa, doch viele erreichten niemals ihr vorgesetztes Ziel und ertranken. Durch Proteste namhafter Menschrechtsorganisationen konnten Massenabschiebungen verhindert werden. TELEIMMAGNI(Bologna) und INSU TV (Napoli), zwei unabhängige Videoaktivist_innen-gruppen in Kollaboration mit AL-SIRAT(Bologna), einer autonomen Anlaufstelle für Migrant_innen, begleiteten Neuankömmlinge auf ihrer Reise durch Italien und dokumentierten in Form von 3 Videos ihren Weg nach Frankreich. Die Aufzeichnungen berichten vom Traum der Tunesier_innen in Europa Arbeit zu finden, ihrem Wunsch sich frei in Europa bewegen zu können und ihrem Zorn über die Ungültigkeit ihrer, von der italienischen Regierung ausgestellten, 6 Monate gültigen humanitären Aufenthaltsbewilligungen für den Schengenraum. Die meisten dieser Bewilligungen liefen am 16. Okt 2011 ab. Wer bis zu diesem Zeitpunkt keine Arbeit gefunden hatte, musste nach Tunesien zurückkehren oder wurde abgeschoben. Ein wahrer Wettlauf gegen die Zeit!

Die Filme sind in italienischer Sprache mit englischen Untertiteln.

15h | Alte Kaserne
Kontinuität der Pakte zur Bekämpfung der Immigration zwischen "Festung Europa" und nordafrikanischen Staaten
Bernhard Schmid, Referat und Diskussion
Als im Winter 2010/11 in mehreren arabischsprachigen Mittelmeerstaaten, der so genannte "Arabische Frühling" ausbrach und politische Umwälzungen u.a. in Tunesien und Ägypten auslöste, war dies nicht nur ein Grund zur Hoffnung für die dort lebenden Menschen. Es schien auch eine Veränderung in der Migrationspolitik einzuleiten.

Tatsächlich hatten die bis dahin amtierenden Regimes oft die willfährigen Gendarmen für die "Festung Europa" gespielt. Die Diktatur in Libyen hatte es etwa übernommen, im EU-Raum unerwünschte Migrant/inn/en - besonders aus Italien, einem Land, mit dem bilaterale Abkommen zum Thema abgeschlossen wurden - "zurückzunehmen". Regelmässig wurden die Betroffenen dann in Gefängnissen oder Haftlagern, oft in der Wüste und unter unmenschlichen Bedingungen, eingesperrt. In Tunesien, wo bis im Januar 2011 ein Polizeistaat herrschte, wurden Versuche und Pläne zur "illegalen Ausreise" durch das Regime unter Strafe gestellt. Es übernahm so seinerseits einen Part als Grenzwächter der "Festung Europa", den EU-Staaten wie vor allem Frankreich und Italien ihm abverlangten. Der Sturz des tunesischen Regimes durch eine Massenbewegung und der Beginn des Bürgerkriegs in Libyen schienen die Dinge in Bewegung zu bringen. Aus Tunesien setzte im Februar 2011 eine Ausreisewelle von jungen Menschen aus manchen Küstenstädten ein, und aus Libyen flohen vor allem die dort wohnenden Migrant/inn/en aus dem subsaharischen Afrika vor der Gewalt des Bürgerkriegs sowie vor pogromartigen übergriffen gegen Schwarze.

Doch wie manch andere Hoffnungen im Zusammenhang mit dem "Arabischen Frühling" - dessen Umwälzungen jedenfalls bisher nicht weit genug gingen -, wurden auch diese Hoffnungen oft bitter enttäuscht. In Libyen schloss der "Nationale übergangsrat", der später das Gaddafi-Regime ablösen sollte, noch aus der Opposition heraus bilaterale Abkommen mit Italien, die den alten zum Verwechseln sähen. Im Frühjahr 2012 folgten offizielle Vereinbarungen seitens der neuen libyschen Behörden, die einen Aufschrei seitens von Amnesty international Italien auslösten. Und die Ausreise von circa 30.000 jungen Tunesier/inne/n im Frühjahr 2011 führte nicht nur zu einer veritablen rassistischen Kampagne besonders in Frankreich, sondern auch dazu, dass die "Löcher" in der Festungsmauer rund um die EU alsbald erneut "gestopft" wurden. Gleichzeitig ertranken Hunderte von Menschen bei dem Versuch, von Tunesien oder von Libyen aus über das Mittelmeer europäische Küsten zu erreichen. Die Rolle, die etwa NATO-Schiffe dabei spielten, ist heftig umstritten und führte in mindestens einem Fall zu Strafanzeigen.

Bernhard Schmid wird in seinem Vortrag über die "neue" und alte Politik der Mittelmeeranrainerstaaten reden und ebenso die Zusammenhänge mit dem "Arabischen Frühling" und der Migrationspolitik aufzeigen. Auch im Kontext der Vorbereitung des Weltsozialforums 2013 im "nach-revolutionären" Tunesien, das Ende März stattfindet und wo die Migrationspolitik ebenfalls ein zentrales Thema sein soll. Daneben soll es auch um die Verhältnisse in den betreffenden Ländern selbst gehen, wo die "soziale Frage" etwa in Tunesien - nach heftigen Unruhen im Landesinneren, Ende November und Anfang Dezember 2012 - erneut auf die Tagesordnung rückte.

ab 18h | Alte Kaserne
Vegane VoKü

20h | GGS31
Anarchietage-Solikonzert
Punk | Rock | HipHop | Electro
Franky Four Fingers (Rock, Frauenfeld)
http://www.frankyfourfingers.ch

The Droogs (Punkrock, Winterthur)
http://www.thedroogs.ch

DJ Kool Cut Luke (HipHop, Frauenfeld)

DJane F.A.M.E. (90er Tekkno & Electro, Winterthur)

Sonntag / 10. Februar 2013

12h | Alte Kaserne
Die Ausweisung von Anarchisten aus der Schweiz Ende des 19. Jahrhunderts
Adi Feller, Referat und Diskussion
Als "Fremde Elemente" bezeichnet, wurden in der Schweiz lebende Anarchisten im Lauf der 1880er Jahre immer häufiger Ziel staatlicher Repression, bei ausländischen Aktivisten erklärten die Behörden meistens deren Ausweisung. Die Schaffung der Bundesanwaltschaft 1889 und damit der Etablierung einer eidgenössischen politischen Polizei, markierte dabei einen Wendepunkt zu verstärker Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit benachbarten Staaten bei der Jagd auf Anarchisten. Zwischen 1878 und 1900 wurden total 240 Personen als Anarchisten aus der Schweiz ausgewiesen erklärt, davon alleine 88 im Jahre 1898, nach dem Attentat auf die österreichische Kaiserin Elisabeth in Genf.

15h | Alte Kaserne
20 Jahre Asyl- & Sans-Papiers-Bewegung
AktivistInnen der autonomen Gruppe «Refugees Welcome», Referat und Diskussion
Seit Jahren erleben wir Verschärfung um Verschärfung. Die SVP ist mit ihrer dumpfen rassistischen Stimmungsmache längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und diktiert die heutige Migrationspolitik nach Lust und Laune. Trotzdem gibt und gab seit der Einführung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht 1991 immer wieder verschiedenste Formen des Widerstandes. Kirchenbesetzungen, Hungerstreiks, Grossdemos und Revolten in den Ausschaffungsknästen, Tauschbörsen und ziviler Ungehorsam prägten die vergangenen zwanzig Jahre der Asyl- und Sans-Papiers-Bewegung. Und doch gelang es der Bewegung über die Jahre hinweg nie den Schwung mitzunehmen und den rassistischen Konsens in der Schweiz zu durchbrechen. Auf den politischen Erfolg folgte oft eine Institutionalisierung, das wollige Multikulti-Familiengefühl und der Zusammenbruch der Bewegung.

Wir geben einen Überblick über die letzten zwanzig Jahre und erzählen über das Spannungsfeld von Einzelfall- & Kampagne-Arbeit, über die Merkwürdigkeiten des Paternalismus und das Schweigen der radikalen Linken, der Schwierigkeiten der Selbstorganisierung, vom Verrat und Doppelzüngigkeit der Sozialdemokratie sowie der praktischer Arbeit mit Betroffenen, aber auch über das Scheitern und Grenzen autonomer, antirassistischer Politik.

 
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